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Aus meinen Memoiren anno diaboli 1983:

Ich hatte zu der Zeit mein Faible für Malerei entdeckt, insbesondere für Comix. Damals malte ich eine hinreißende Comix-Geschichte, in der ich mich - ehe ich mich versah - vollkommen verlor. Jede freie Minute malte und lebte ich in Gedanken diese Geschichte. Konnte ich zwecks mangelnder Freizeit nicht malen, dachte ich über den Verlauf der Geschichte nach. Es wurde so schlimm, dass ich mich zu nichts anderem außer Comixmalen mehr aufraffen konnte. In die FH ging ich höchstens noch 1 bis 2 mal die Woche, denn vor lauter Comixmalen hatte ich dazu keine Zeit.

Eines schönen Tages ging ich in die City zum Schreibwarenfachhandel Mandel, weil mir meine Tuschefarbe für's Comix-Malen ausgegangen war. Ich wühlte gerade so in den Tusche-Gläschen, als ich Anne, eine Kommilitonin neben mir bemerkte. Wir begrüßten uns und im Laufe eines kurzen Gespräches fragte mich Anne, ob ich denn schon alles fertiggelernt hätte. Lernen? Fertig-lernen? Wozu das denn? Ich fragte völlig von der Welt, was ich denn hätte lernen sollen und bekam die Antwort, dass der 1. Prüfungstermin doch bereits in 1 Woche wäre und ob ich denn das nicht wüsste. Ei nein, das wusste ich nicht?! Um welche Prüfung ging es denn? Na, jedenfalls erfuhr ich, dass also zum Ende des 2. Semesters die Vorprüfung zum Vordiplom stattfände, d.h. eine Arbeit in allen Studienfächern, abgesehen von wenigen Nebenfächern. War die erreichte Note schlechter als die 4, musste man im jeweiligen Fach das Semester wiederholen. Waren in 2 Fächern die Noten schlechter als 4, so durfte man nicht ins 3. Semester aufrücken. Um alles in der Welt!!!

Mein mich finanziell unterhaltender Herr Vater hatte nämlich angemeldet, dass er seine Unterhalts-Überweisungen sofort einstellen würde, sobald er merke, dass ich mein Studium nicht ernst nahm. Aus diesem Grund fuhr meine Mutter so ziemlich jeden 2. Tag an meiner Wohnung vorbei, um zu sehen, ob ich in der Schule war, oder schwänzte. Auf die Ausrede, mein Auto sei kaputt, drum stände es vor der Tür, während ich mit der Straßenbahn in die Schule fahren würde, fielen meine Eltern bereits nach 2 Monaten nicht mehr rein. Deshalb parkte ich meine Ente ab diesem Zeitpunkt immer in einer Nebenstraße (eine Sackgasse). Mein neugieriges Mütterlein fiel auf diesen Trick stets schön herein. Obwohl meine Eltern an meinen schulischen Eifer keineswegs glaubten, konnten sie mir meine Schwänzerei doch nicht beweisen, denn da mein Auto nicht vor meiner Tür stand, war ich ja offensichtlich in der Schule, wo sollte ich denn sonst sein? Tja... und wenn ich nun die Vorprüfung zum Vordiplom nicht bestand, so war wohl mein Schicksal besiegelt, indem meine Eltern, sobald sie davon erfahren würden, ihre Befürchtungen bezüglich meiner "Faulheit" bestätigt sahen und damit ihre Unterhaltszahlungen einstellten und das für mich nur heißen konnte, dass ich arbeiten gehen musste, zu Deutsch: Keine Zeit mehr für meine so geliebte Comixmalerei! Und das war für mich die Hölle.

Angesichts dessen war ich regelrecht verzweifelt. Für mich war das wie ein Todesurteil. Ich wusste mir einfach nicht zu helfen und stand nun völlig erschüttert vor dem Schreibwarenladen. Gegenüber dieses Ladens befand sich die Lorenzkirche und als meine Blicke auf dieses Gebäude fielen, erinnerte ich mich daran, dass darin eine Art Schwarzes Brett hing, an welchem man auf Zettel geschriebene Wünsche an den "lieben Gott" *Brechreizunterdrück* heften konnte. Total entmutigt und völlig verzweifelt lief ich also in die Lorenzkirche und bald schon fand ich das Schwarze Brett, an dem kein einziger Zettel hing. Aber Papier und Stifte lagen dort und so nahm ich ein Blatt und schrieb darauf: "Lieber Adonay! Verschone mich mit der Realität!". Damit meinte ich, in irgendeiner Art und Weise in den Genuss zu kommen, auch weiterhin ungestört von früh bis abend Zeit zu haben, Comix malen zu können, in deren Geschichten ich träumte und lebte und darin glücklich war. Mit einer Reißzwecke heftete ich den Zettel an das Brett, stellte mich davor und besah mir mein Werk, meine einzige Hoffnung. Ganz alleine hing mein Wunschzettel einsam und verlassen an dem Brett.

Schließlich verließ ich die Kirche, eigentlich wenig ermutigt. In problematischen Gedanken verstrickt, ging ich zurück in den Laden und kaufte meine Tuschen. Plötzlich stand Christine, ebenfalls eine Studienkollegin, neben mir an der Kasse. Christine! Die größte Strebsau aus dem ganzen Semester! Natürlich erzählte sie mir sofort, dass sie Tag und Nacht nur lernte und das ganze Zeug kaum in ihren Kopf kriegte, weil sie sich alleine nicht darauf konzentrieren könnte. Und dann meinte sie, sie würde sich viel leichter tun, wenn sie jemanden hätte, mit dem sie lernen könnte, zu zweit lernt es sich besser und ob ich nicht Bock hätte, mit ihr die letzte Woche gar durchzupauken?

Aber immer! Huch! Das war meine Chance! Sofort wurde mir das klar. Die alte Strebsau von Christine war natürlich täglich an der Hochschule gewesen, hatte auch immer im Unterricht mitgeschrieben und damit vollkommene Scripten. Außerdem blickte sie als regelmäßige Hochschulbesucherin ja wesentlich besser im Stoff durch als ich, die ich von nichts eine Ahnung hatte. Sofort sagte ich zu. Im selben Augenblick wurde mir bewusst, dass das eine Fügung von Gott sein musste, denn anders konnte ich mir die Gegebenheit nicht erklären. Bereits am nächsten Tag tauchte ich bei Christine auf und wir begannen zu büffeln. Wir paukten sämtliche Fächer durch. Wir lernten von früh bis spät nachts. 1 Woche lang. Für Christine geschah in dieser Woche lediglich noch einmal eine Zusammenfassung des gesamten Lernstoffes. Für mich war es absolutes Neuland. Aber seltsamer Weise musste ich feststellen, dass ich einen Satz nur zu lesen brauchte, um ihn mir voll merken zu können und dass ich auch mit dem Kapieren absolut keine Schwierigkeiten hatte, so dass es sogar vorkam, dass ich der Christine was erklären konnte, was sie nicht verstand, obwohl sie ja voll in den Vorlesungen aufgepasst hatte, während ich nicht mal zum Unterricht gekommen war. Bald zweifelte ich nicht mehr im Geringsten daran, dass der Wunschzettel in der Lorenzkirche erhört worden war.

Der Prüfungstermin rückte näher. Ich war vorbereitet. Ich traute mich. Ich war optimistisch.

Während der Prüfung im Fach Geschichte und Sozialwesen benutzte ich meinen Spickzettel, ohne dabei erwischt zu werden, obwohl der Lehrer genau aufpasste und es der Strenge während der Abiturprüfung fast gleichkam.
Wenige Wochen später erkundigte ich mich nach meinen Zensuren, die ungeahnt gut ausfielen. In Kommunikationstheorie, dem gefürchtetsten Fach war neben mir nur noch eine einzige Studentin im Genuss einer glatten 1! Wir beide waren die Besten. Auch ansonsten war ich absolut von den Socken angesichts meiner Noten. In Geschichte und Sozialwesen hatte ich zwar trotz Spickzettels "nur" eine 4, aber in allen anderen Fächern 2er und 3er. Na, wenn das noch mit rechten Dingen zuging, wollte ich einen Besen fressen!

Völlig happy vollführte ich einen Freudentanz, flippte halb aus und konnte mein Glück kaum fassen.
Angesichts dessen, dass der Fortbestand meiner Comix und Träumerei nun gesichert war, erklärte ich unmittelbar darauf dem Gott, dass er nun hiermit wieder in der Versenkung verschwinden dürfte, weil er ausgedient hatte und ich weiters an ihm kein Interesse hatte und dass mein Gott eben der Teufel war. Damit trat ich erleichtert die Semesterferien an.

Im Oktober begann das 3. Semester. Ich konnte mir daran wenigsten soviel Interesse abwringen, dass es mir gelang, am 1. Schultag an der Hochschule anwesend zu sein. Kaum saß ich im Unterrichtsraum, fragte man mich, was ich denn hier wollte, da ich doch die Vorprüfung in 2 Fächern, nämlich Schrift und Design-/Kommunikationslehre nicht bestanden hätte. In diesen Fächern wären wir doch gar nicht geprüft worden, bemerkte ich entsetzt und musste erfahren, dass wir eben in beiden Fächern während des Jahres Arbeiten zur Bewertung abgeben hätten müssen. Der Termin, diese Arbeiten nachzureichen, wäre erst vor wenigen Tagen verstrichen.

Ich war total vor den Kopf gestoßen! Zwischen dem Datum, an dem ich meine Noten erfahren hatte, unmittelbar wonach ich dem Gott erklärt hatte, dass er in meinem Leben damit nichts mehr zu suchen hätte und dem Termin zur Nachreichung der Arbeiten lagen einige Wochen. In diesen Wochen hätte ich gut Zeit gehabt, die geforderten Werke zu erstellen. Die Zeit hätte mir gereicht. Ich war mir sicher, hätte ich Gott nicht "verstoßen", so hätte ich von diesen Arbeiten noch rechtzeitig erfahren - ich war mir absolut sicher!

Scheiße!

Zuerst versuchte ich, vor meinen Eltern geheimzuhalten, dass ich bei der Vorprüfung nicht bestanden hatte und log sie einfach voll, erzählte ihnen nichts von Schrift und Designlehre, sondern nannte ihnen nur meinen tollen Noten in den anderen Fächern, worüber sie sich zuerst recht freuten. Wenn es nur mit dem Teufel zugegangen wäre, aber nein, Gott hatte seine Hand im Spiel und meine Mutter ließ sich kurz darauf an der Hochschule die von mir genannten Zensuren bestätigen, wobei sie dann natürlich erfuhr, wie der Hase wirklich gelaufen war. Angesichts dessen, dass ich mir ein Urlaubssemester genehmigen hatte lassen, in dem ich momentan mit Nichtstun (Comixmalen) die Zeit totschlug, woraufhin ich für ein Wiederholungssemester eingeschrieben war, stellte mein Vater seine Zahlungen umgehend ein, während meine Mutter mir nach einigen Moralpredigten Stellenanzeigen vor die Nase hielt. Sie erklärte mir, dass man mit jeder Mark, die man mir gäbe, nur meine Faulheit unterstützen würde und ich nun gefälligst selbst für meinen Unterhalt zu sorgen hätte. Aus diesem Grunde war sie sogar bereit, mir eine Stelle zu suchen. Aufgrund einer Zeitungsannonce hatte sie sich für mich bereits bei McDonald's vorgestellt, nun sollte ich nur noch hingehen und einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Sarkastisch meinte sie noch, es wäre ein Teilzeitjob, also könnte ich ja nebenbei in aller Ruhe weiterstudieren, haha! 

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