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Ausblick aus meiner Küche
Jeden Tag, wenn ich mein Klofenster auf mach, fällt mein Blick auf den Kirchturm der St. Leonhards-Kirche, die 100m hinter meinem Haus steht. Meine Eltern haben dort geheiratet, auch meine Großeltern schon, und auf dem zur Kirche gehörenden Friedhof liegt meine ganze bisher verstorbene Familie mütterlicherseits einschließlich meiner Mutter.

Das obige, linke Bild ist ein Foto aus meiner Küche und man sieht darauf den Kirchturm, das Sparkassengebäude und ein Stück Dach vom "Pesthaus", welches direkt an unseren Hof angrenzt. Dass das alles mittelalterliche Geschichte hat, war mir nun schon bewusst. Man sieht auch anhand des Baustils des Kirchleins deutlich gotische Züge, so dass völlig klar ist, dass das Gebäude hier nicht erst seit gestern steht. Ich hab mich allerdings nie weiters darum gekümmert.

Details:
Ufos über Nürnberg
Aber nun bin ich auf Ufo-Jagd , denn eines schönen Tages im März 2004 postete jemand ein mittelalterliches Bild in mein Forum, das angeblich Ufos über Nürnberg darstellen soll. Man sieht auf dem "Ufo"-Bild unter anderem eine Anzahl abstürzender Kugeln, die um ein kleines Gebäude auf freiem Feld einen mords Dampf veranstalten. Aufgrund einiger Überlegungen könnte das kleine Gebäude durchaus im Stadtteil St. Leonhard gestanden haben und somit wurde die Leonhards-Kirche und ihre Geschichte mit einem Schlag höchst interessant.

Der Karsten (rechts) klingelte den Mesner raus und ließ sich im Kirchenschiff die Details erklären
Der Stadtteil St. Leonhard und die St. Leonhards-Kirche sind nach dem heiligen Leonhard (Lienhard) benannt, der im 6. Jahrhundert lebte. Der aus einem fränkischen Adelsgeschlecht stammende Benediktiner sorgte sich angeblich besonders um Kranke und Gefangene und wurde zu einem der 14 Nothelfer. Der fränkische Heilige lebte und starb allerdings fern der Heimat in einem von ihm gegründeten Kloster in Noblac/Frankreich.

Dass man die Kapelle ausgerechnet nach ihm benannte, hatte seinen Grund in der Fürsorge für die Kranken. Im 13. und 14. Jahrhundert wurden um Nürnberg herum vier sogenannte "Siechenkobel" gegründet, Quarantäne-Unterkünfte für "Sondersieche", nämlich Pest- und Pockenkranke, Lepröse und sonstige mit gefährlichen Seuchen Infizierte. Diese schob man wegen der Ansteckungsgefahr in sicherer Entfernung von der Stadt (30 min Fußweg) in die Siechenhäuser ab, wo sie meist nach wenigen Tagen starben. Die Siechenkobel waren somit mehr oder minder Sterbeanstalten. Als die Pest ausgebrochen war und die Siechenkobel Hochkonjunktur hatten, sind offensichtlich aus Platzmangel Massengräber angelegt worden, in denen nur Köpfe bestattet wurden. Man hat erst in jüngster Zeit Gruben und Grüfte auf dem Leonhards-Friedhof gefunden, in denen 30 Schädel auf einmal lagerten - nur Schädel. Die Körper hat man vermutlich verbrannt, evtl. auch nach der Verbrennung die übrig gebliebenen Schädel dann bestattet.

Der Siechenkobel von St. Leonhard und St. Johannis war nur für Frauen, die Männer waren in St. Jobst und St. Peter untergebracht.

Die Siechen waren nicht nur wegen der Ansteckungsgefahr höchst unbeliebte Zeitgenossen, sondern man deutete ihre Krankheit im Mittelalter auch als eine Strafe Gottes, die sie wegen eines besonders bösen und sündigen Lebens auf sich gezogen hatten. Es wundert daher nicht, dass auf dem "Ufo"-Bild, das damals natürlich religiös interpretiert wurde, die herab kommenden, rauchenden Kugeln ausgerechnet einen Siechenkobel treffen. Dass die Leonhards-Kirche im Jahr 1525 auch noch im Rahmen der Reformation eine evangelische Kirche wurde, galt ja wohl auch noch als die größte Todsünd'! Wen wundert, dass eine solch sündige Stätte auch gleich dem himmlischen Feuer Gottes anheim fiel?

Die Kirche St. Leonhard wird erstmals urkundlich erwähnt zu ihrer Weihe im Jahr 1317. 1448 wurde die älteste Nürnberger Skulptur außerhalb der Stadtmauern geschaffen, nämlich die Figurengruppe an der Ostseite der Kirche. Auf dem Bogen der Nische, in der diese untergebracht ist, findet sich eine seltsame Zahl (siehe Bild): die mittleren beiden Zeichen sind "halbe Achter" und bezeichnen Vierer.

Am 02.09.1632 wurde die Kirche "geschleift" (dem Erdboden gleich gemacht, völlig zerstört), diesmal durch die Kroaten im Rahmen des 30jährigen Krieges. 1660 war die Kirche wieder aufgebaut und 1707 wurde das Kirchenschiff dem Chor zugefügt. 1806 wurde der Siechenkobel aus finanziellen Gründen aufgelöst und im Gebäude ein Wirtshaus namens "Leonhardspark" eröffnet. Erst 1887/88 erhielt die Kirche endlich ihren Turm. In der Nacht zum 09.03.1943 wurde die Kirche bei einem schweren Bombenangriff von 2 Brandbomben im Mittelschiff getroffen und Kirche sowie Wirtshaus brannten vollständig aus; auch ein Teil des Turms fackelte herunter bis auf den obersten Sockel.

Seit jeher gab es einen Kampf darum, welche Pfarrei die höhere Kirche hat und so stritten sich die Bischöfe der Leonhards- und der Nachbargemeinde schon beim Bau der Kirchen darum, dass eine Kirche 15m höher sein sollte als die andere. Wer nun meint, derartiges entspränge nur einem mittelalterlichen Kleingeist, der irrt:

Etwas Ähnliches trug sich dann zu, als in den 1970er-Jahren die Sparkasse gebaut wurde - ich erinnere mich noch genau: Das Sparkassen-Gebäude war als 8-stöckiges Haus geplant und war bereits bis zum 4. Stock hochgezogen, als die Kirche St. Leonhard einen Baustopp durchsetzen konnte. Argument: Das 8-stöckige Bürogebäude stelle die Kirche in den Schatten und sei höher als diese, so dass man die Kirche nicht mehr sähe. So etwas geht nicht an! Daher ist die Sparkasse heute nur 4-stöckig.



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